Was macht für Foucault den Reiz der Ethnologie aus? Foucaults Selbstverständnis als Ethnologe, das bisher nicht systematisch ausgelotet ist, wird in diesem Buch als fundamentaler Blickwinkel eingeführt, von dem her sich die Relevanz seiner Gesellschaftsdiagnosen sowie seines theoretisch-methodischen Werkzeugs auf die Perspektive einer kritischen Alternative zur Moderne zuspitzen lässt.
Barbara Birkhans fachübergreifende Analyse diskutiert Grundorientierungen in der Konzeption kultureller Tatsachen, wie sie – nicht zuletzt wegen ihres performativen Gehalts – für alle Sozial- und Kulturwissenschaften wichtig sind.
Barbara Birkhan (Dr. phil.) ist Sozial- und Kulturanthropologin. Ihre Forschungsthemen sind Poststrukturalismus, Anthropologie des Wissens, Life-Sciences, geistiges Eigentum, Biodiversität sowie politische Ökologie.
Einführung (Introduction)
Ausgangspunkt der Beschäftigung mit Michel Foucault, die zum vorliegenden Buch führte, war die ausgesprochen deutliche Präsenz des Philosophen Foucault in der Anthropologie zum einen und andererseits die Diskussion um Foucault als Ethnologen in der Philosophie. Diese etwas paradoxe Situation motivierte das Vorhaben, theoretische und methodische Grundpositionen von Foucaults Arbei- ten vor dem Hintergrund der Frage nach seiner ethnologischen Verortung neu aufzurollen. Das Hauptgewicht liegt dabei auf Foucaults Ansatz als Kritik und der Verbindung dieser Position mit der Ethnologie. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass Foucault seine Forschungen als Ethnologie der eigenen Kultur bezeich- net hat, und dass die Ethnologie für ihn kritischen Charakter hatte.
Die ethnologische Positionierung von Foucault wird in zweierlei Hinsicht vorangetrieben – was den interdisziplinären Zugang kennzeichnet. In die inten- siven philosophischen Kontroversen zu Foucaults kritischem Ansatz soll eine anthropologische Perspektive eingebracht werden. Der sehr breiten Rezeption von Foucault in der Sozial- und Kulturanthropologie hingegen soll eine Seite von Foucault präsentiert werden, die hier wenig Beachtung gefunden hat, näm- lich sein Rekurs auf die Ethnologie. Allerdings steht die Auseinandersetzung mit philosophischen Texten angesichts der hier weit umfangreicheren Sekundärlite- ratur zu Foucaults Epistemologie im Vordergrund. Dass in meinem Zugang die Rolle der Ethnologie für Foucaults Ansatz den Kern der Fragestellung bildet und dies mit Bezug auf sozial- und kulturanthropologische Konzeptionen kultureller Vielfalt expliziert wird, führt zu Ergebnissen, die sich immer wieder signifikant von der philosophischen Literatur unterscheiden.
Durch diesen Blickwechsel zwischen Anthropologie und Philosophie wird Foucaults wissenschaftlicher Diskurs als eine spezifische Epistemologie der Kul- tur- oder Sozialwissenschaften bestimmt, die philosophisch als Kritik der Mo- derne Gewicht bekommt. (...)
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